Der silberne Flügel Roman by Tanja Bern

Der silberne Flügel  Roman by Tanja Bern

Autor:Tanja Bern [Bern, Tanja]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426442586
Herausgeber: Knaur e-books


Am nächsten Tag ging es Keija so gut, dass sie wieder aufstehen konnte. Sie befand sich im Badezimmer, und Elias nahm an, dass sie ihren neuen Körper vor dem Spiegel betrachtete. Er hütete sich, auch nur anzuklopfen, trank noch einen Kaffee und wartete auf sie mit einer inneren Aufregung, die in seiner Brust wie ein glühendes Stück Kohle loderte.

Nach einer Weile öffnete sich die Tür. Keija kam mit blassem Gesicht zurück und setzte sich zu Elias an den Tisch. »Ich glaube«, setzte sie an, »ich habe es ganz gut gemacht, oder?«

Elias starrte den Engel mit großen Augen an. »Ganz gut?«, krächzte er. »Hast du auch wirklich in den Spiegel geschaut?«

»Ja … ich … aber …« Sie stockte befangen.

Elias griff nach ihrer Hand. »Keija … du warst vorher schon das schönste Wesen, das mir je begegnet ist. Und jetzt …« Ihm wurde auf einmal etwas bewusst. »Hast du es in meinen Gedanken gesehen? Du siehst aus wie …«

»… du mich gerne gehabt hättest? Ja, ich habe es gesehen.«

»Du hättest nicht …«

»Doch, Elias, ich empfand es als nötig. Ich will nicht, dass du dich wieder vor deinen Gefühlen fürchtest, falls … falls du mich noch einmal küssen solltest.« Keija senkte verlegen den Kopf.

Überrascht sah Elias sie an. Ihm fehlten die Worte. Er beugte sich vor und umarmte Keija. Dann grinste er und zog sich von ihr zurück. Er stand auf, ging zu seiner Jacke, die an der wackeligen Garderobe hing, und hielt ein Kästchen hoch.

»Ich habe dir etwas gekauft, obwohl ich unschlüssig war, ob du als Mann ein solches Geschenk von mir gutheißen würdest. Aber jetzt …«

Keija nahm das Kästchen und öffnete es. Auf weißem Satin lag ein silberner Anhänger in Form eines geschwungenen Engelflügels. Sie schenkte ihm ein so wunderschönes Lächeln, dass ein warmes Gefühl ihn durchströmte − als hätte ein Sonnenstrahl Eingang in sein Herz gefunden. Wortlos holte er das Schmuckstück aus seinem Schutz und entwirrte die Kette. Er legte Keija den Anhänger um, die ihn sachte mit den Fingerspitzen berührte.

*

Zermürbt saß William in seinem Wohnzimmer und starrte auf den Fernseher.

Seine Frau gesellte sich zu ihm. »Will, was ist denn los?«

»Lass mich bitte in Ruhe!«, antwortete er mürrisch.

Mit einem verletzten Ausdruck im Gesicht ging sie zurück in die Küche. William nahm an, dass sie sich frustriert wieder in einen ihrer Liebesromane vertiefte.

Der dunkle Geist war längst verschwunden. Rasch hatte William bemerkt, dass dies nicht Luven war. Er spürte auch diesen Neuen, wie er ihn insgeheim nannte. Der Kerl beobachtete ihn. Genervt schaltete er den Fernseher aus und stapfte nach oben in sein kleines Büro.

»Okay, ich weiß, dass da jemand ist. Doch du bist nicht Luven. Wer zur Hölle bist du?«, zischte er.

›Solange du mich nicht angemessen ansprichst, wirst du gar nichts erfahren‹, waren die einzigen Worte, die William vernahm.

Müde setzte er sich auf seinen Schreibtischstuhl und fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht. Er schimpfte sich einen Idioten. Hier stand er – ein hochrangiger Professor der Physik – und sprach mit sich selbst, als wäre er ein Junge, der seinen unsichtbaren Freund suchte.



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